Eine spannende Geschichte

Als  Andreas Grzybowski im Juli 2018 bei der Ausheben seiner Baugrube in Friedrichstadt auf  Widerstand stieß, ahnte er nicht, dass er einen sehr seltenen Fund machen würde. Bei Gründungsarbeiten in der Holmertorstrasse 5a stieß er auf einen seltsamen Untergrund. Behutsam entfernte er Stück um Stück die Erde und dann war klar: Er war auf einen Holzbottich mit mehr als 2,5 Meter Durchmesser gestoßen.  Um nichts Wertvolles zu zerstören, informierte er das Archäologische Landesamt.  Die waren umgehend vor Ort um den  Fund zu sichern und zu bewerten.

       Gründungsarbeiten

Bei den Gründungsarbeiten in der Holmertorstrasse a stieß Bauherr und Maurermeister Andreas Grzybowski in der Holmertorstrasse auf eine alte Gerbergrube.  Zu unser aller Überraschung lagen dort Häute von Rindern und Kälbern seit über 200 Jahren in der Lohe (Borken). Sie hatten sich nicht zersetzt, weil sie die ganze Zeit über im Grundwasser und dank der Gerbstoffe konserviert worden waren. Die Häute konnten geborgen werden und von zwei Gerbern, die ihr Handwerk verstehen, zu Ende verarbeitet werden. Das Ergebnis ist ein wunderschönes ganz und gar einmaliges antikes Leder, mit einer sehr interessanten Geschichte dahinter. 

Wie in einer Zeitkapsel 

Nach dem spektakulären fund war in den Husumer Nachrichten in einem Bericht folgendes zu lesen: „Grabungstechniker Jan Fischer und Heiner Menzel … gruben vorsichtig weiter und erreichten schließlich eine Tiefe von 80 Zentimetern, als Wasser aus dem Erdreich trat. Nachdem dieses beiseite geschöpft war, kamen gegerbte Rinderhäute zum Vorschein. „Wir finden hier eindeutige Hinweise darauf, dass das ein großer Arbeits-Bottich einer Lohgerberei ist,“ erklärte Jan Fischer, „denn beim Graben haben wir auch Leder gefunden. Dort wurde ein Arbeitsprozess vor etwa 200 bis 300 Jahren beendet. Das Ganze wirkt wie eine Zeitkapsel.“ Die Fachleute entnahmen Holzproben und sägten Stücke der noch gut erhaltenen Nadelholzbohlen ab. Außerdem kamen bemalte Essgeschirrteile zum Vorschein. Je tiefer die Männer gruben, desto mehr machte sich ein Ammoniakgeruch bemerkbar. „Kuhdunst“, sagten die Landesamt Mitarbeiter. Neben dem Gerber-Bottich wurden die im Erdreich aufgefundenen Keramikteile gelagert. Dabei handelt es sich nach Ansicht von Fischer um Malhornware, Fayencen, Jutepötte und Kachelofenteile. Dann holte er aus dem Arbeits-Bus ein Metallsuchgerät, setzt sich die großen Kopfhörer auf und begann mit der Suche im Erdreich. Oft schlug das Gerät an, dann packte Fischer den Spaten und grub. Nach und nach wurden alte Münzen und Musketenkugeln aus Blei ausgegraben. Auch im Garten der sich zum Ostersielzug hin erstreckt, kam das Gerät zum Einsatz und förderte auch dort zahlreiche Utensilien längst vergangener Jahrhunderte zutage.“

Die Archäologen entnahmen außerdem DNA Proben um die Herkunft der 60 Rinderhäute näher zu bestimmen und Tierknochen. Das Holz der Gerbergrube, so der Befund ist über 300 Jahre alt. Es handelt sich Rinderhäute, die in Eichenlohe lagen. Dass die Häute dies so lange überstanden, ist allein der Tatsache zu verdanken, dass das Grundstück am Wasser gelegen ist, und konstant von Grundwasser bedeckt war. 

Die Gerberei: Andreas Friedrichs und seine Familie

Friedrichstadt wurde 1621 von Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf gegründet. Die geografische Lage des „Holländerstädtchens“ war für seine Bewohner*innen immer wieder Segen und Fluch.

 

Die Flüsse Eider und Treene machten den Ort „logistisch“ interessant. Von Nord- und Ostsee über Wasser erreichbar und einfach zu befestigen, hoffte der Stadtgründer Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf, dass das Städtchen ein bedeutender Standort für den Fernhandel bis nach Persien werden könnte. Die Perser waren begeistert. Aber als Zar Peter der Große darauf bestand, die Waren zu verzollen, war dieses Projekt gestorben. 

Die Geschichte des Hauses 

Das Brandkataster hält fest, dass das „Clauß Peters Küpers Haus“ 1689 errichtet wurde. 1737 wird „auf Verlagen seine Brennerey eingeschrieben“. Zehn Jahre später wird ein neu erbauter Stall eingetragen. 1767 notiert das Erdbuch den Bestand wie folgt: das Haus, die Brennerei, ein großer und ein kleiner Stall.

1774 wurden der kleine und der große Stall in eine Gerberei umgebaut. 

1803 wohnte in dem Haus der 63 Jahre alte Andreas Friedrichs, Sohn des Lohgerbers Johann Georg Friedrich, mit seiner zweiten Frau Dorothe, geborene Thomsen (38 Jahre alt) und den gemeinsamen Kindern Carolina Ulrike (13 Jahre), Andreas Friedrichs (12 Jahre), Elisabeth (7 Jahre) und Anna Catarina (5 Jahre) und mit dem Sohn Johann Georg Friedrichs (27), Sohn des Gerbers aus seiner ersten Ehe mit Dina de Vlieger.

1805 stirbt Andreas Friedrichs starb 1805 mit 64 Jahren starb. Seine Witwe muss die Gerberei dann noch einige Jahre mit Hilfe ihrer Kinder weiter betrieben haben. 

Was führte dazu, dass das kostbare Leder zugeschüttet wurde? 

Natürlich wissen wir nicht, was wirklich geschah. Aber es ist höchst wahrscheinlich, dass eine der folgenden Gründe, für das Zuschütten und die Aufgabe der Leder in der Grube geführt haben. 

  • Die Gerber-Familie wollte die Häute vor den Kosaken verbergen, auf deren Einquartierung 1813 „Requisitionen“, also Zwangsabgaben für die Handwerker folgten. Leder für die Herstellung von Stiefeln und Schuhen waren ein begehrtes Gut. Die Handwerker wurden zu allen möglichen Abgaben und Frondiensten gezwungen und mussten für das Heer produzieren.
  • Die Familie konnte 1814 die Sonderabgabe von 6 % des Grundstückswertes in Silber nicht zahlen, die der Dänische Staat von allen Schleswigern und Holsteinern forderte. Das führte zum Konkurs, das Grundstück geriet unter Zwang und wurde versteigert oder verkauft. Möglicherweise waren die Häute noch im Produktionsprozess und somit noch nicht verkaufsbereit, so dass sie einfach aufgegeben werden mussten.
  • Die Familie konnte die Abgabe tragen, aber die allgemeine Not, die Währungsturbulenzen und die Wirren der Zeit in Friedrichstadt und Umgebung führten dazu, dass der Lohgerberbetrieb aufgegeben werden musste. Die Armut muss nach dem Kosakenwinter 1814 nicht nur in Norddeutschland erschreckend groß gewesen sein. Die Gerbergrube samt Inhalt stellte keinen Wert mehr da, denn es gab keine Kaufkraft mehr. 

Wir haben die Geschichte in einem Aufsatz, der in der „Bauernglocke“ – eine Zeitschrift, die sich mit Geschichte und Kultur der Landschaft Stapelhom beschäftigt, aufgearbeitet.  Für besonders interessierte Leser kann der Aufsatz hier herunterladen werden: 

Zum Aufsatz über die historischen Hintergründe: Stapelholmer Bauernglocke 11-2018